Die Frage „Was hilft wem?“ ist die alles Entscheidende in unserer Initiative

Wir alle kennen das aus Alltagssituationen. Kaufen wir uns zum Beispiel eine neue Hose, darf sie nicht zwicken, nicht zu lang oder kurz, nicht zu weit oder eng sein, muss uns die Farbe gefallen und so weiter und so fort. Kurzum: Sie muss (zu) uns passen.

Zwar ist nicht alles ein Vergleich, was hinkt, aber der hier ist durchaus legitim, denn um nichts Anderes als die Passung geht es in der NRW-Initiative „Kurve kriegen“. Es geht um hochindividuelle Lösungen für komplexe Einzelfälle, denn eines ist sicher: Kein Teilnehmer ist wie der Andere, keine Teilnehmerinnen wie die andere - „08/15“ wirkt nicht.

Und damit ist ein Kernprozess der pädagogischen Arbeit in der Initiative auch schon beschrieben.

Es geht um die exakte Sondierung der Ursachen des kriminellen Verhaltens und der speziellen Bedarfe unserer Teilnehmer und Teilnehmerinnen.

Es geht aber nicht nur um die Suche nach Defiziten, sondern insbesondere auch um die wertschätzende Suche nach Talenten und Ressourcen.

Es geht letztlich darum, aus diesen Erkenntnissen abzuleiten, welche Maßnahmen dabei helfen, Verhalten positiv zu verändern und Kriminalität letztlich abzustellen.

Und das braucht Zeit.

Es braucht Zeit, weil zunächst einmal Vertrauen aufgebaut werden muss und das kommt, so weiß der Volksmund, „zu Fuß … und flieht zu Pferde“.

Es braucht Zeit, weil die pädagogischen Fachkräfte auch das soziale Umfeld ihrer Klienten vollständig erfassen, häufig auch in die Maßnahmen einbeziehen müssen.

Es braucht Zeit, weil die Suche nach den richtigen Angeboten manchmal wie die nach der Nadel im Heuhaufen ist.

Es braucht Zeit, weil Maßnahmen manchmal erst kreiert werden müssen, denn was es auf dem „Markt“ nicht gibt, dass schaffen die pädagogischen Fachkräfte sich selber oder lassen es schaffen.

Alles in Allem aber gut investierte Zeit. Zeit, in der man die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sehr gut kennen lernt. Zeit, die man sich nimmt, um anschließend sagen zu können:

Das passt!

Und der Erfolg gibt uns recht. Nur etwa 15 % unserer Teilnehmer oder Teilnehmerinnen brechen ab. Bei den allermeisten funktioniert es - weil wir uns genau diese Zeit nehmen. Das Ganze ist aber beileibe kein Kuschelkurs, sondern harte Arbeit für alle Beteiligten. Ob pädagogische Fachkraft, Teilnehmer oder Eltern, sie alle müssen steile Lernkurven hinlegen.

Um nur stellvertretend einige Beispiele für die Vielfalt anzuführen, blicken wir in den Märkischen Kreis.

Dort wirken die „Iserlohner Kangaroos“, der Basketball-Zweitligist, als „Booster“ für sportbegeisterte Teilnehmer und Teilnehmerinnen und unterbreiten Angebote. Sport verschafft Erfolgserlebnisse (und wenn es nur der Sieg gegen den „inneren Schweinehund“ ist), Gemeinschaftserlebnisse und Struktur.

Oder nach Bochum, dort wird gekocht und gesprüht, „was das Zeug hält“.

In einem Fall fand die pädagogische Fachkraft den Draht zu einer Teilnehmerin beim regelmäßigen Kochen und Backen. Das 11-jährige Mädchen hat sehr viel Talent und Spaß daran, Neues kennen zu lernen und ihre Fähigkeiten auszubauen. Die kulinarischen Reisen mit ihr bieten - neben leckeren Ergebnissen - ein tolles Lernfeld für geplantes Handeln und strukturiertes Vorgehen, denn von der Rezeptsuche, über den Einkauf bis zum Zubereiten und dem anschließenden gemeinsamen Essen ist Konzentration und Teamfähigkeit gefragt.

Ebenfalls einen Volltreffer war der Graffiti-Workshop für vier künstlerisch begabte Teilnehmer und Teilnehmerinnen im Alter zwischen elf und dreizehn Jahren. Seither treffen sie sich regelmäßig mit dem Künstler in Herne-Wanne und es entstehen ganz legal, denn dort gibt es entsprechende Flächen, tolle Kunstwerke. Im Grunde wirkt also „Kurve kriegen“ sofern die Passung der Maßnahmen stimmt, so ähnlich wie eine Schubumkehr beim Flugzeug. Die gesamte, sich bis dato überwiegend negativ bahnbrechende Energie wird unter Ausnutzung der Talente und Ressourcen in eine positive Richtung umgelenkt. Erfolgserlebnisse vorprogrammiert.