An dieser Stelle kommen unsere Kooperationspartner und andere Experten zu Wort. Hier formulieren sie ihre Sicht auf die Initiative, ihre Anmerkungen, Anregungen und Wünsche.
Warum ich als ehemaliger jugendlicher Straftäter die NRW-Initiative „Kurve Kriegen“ unterstütze
Erfahrungen, die man nicht lernen kann – warum echte Geschichten wirken
Manche Dinge versteht man nur, wenn man sie selbst erlebt hat. Ich weiß, wie es sich anfühlt, auf der schiefen Bahn zu sein, festzustecken, abzustumpfen. Gewalt, Drogen, Kriminalität – all das war Teil meiner Jugend. Mit 18 saß ich ein Jahr im Jugendgefängnis. Mein Name ist Mehdi Askari, und heute stehe ich auf der anderen Seite: als Sozialarbeiter, Anti-Gewalt-Trainer und Jugendcoach. Wenn ich mit Jugendlichen spreche, geht es nicht darum, von oben herab zu belehren – ich begegne ihnen auf Augenhöhe. Viele spüren sofort: Der meint es ernst. Der war da, wo ich gerade bin. Und genau deshalb hören sie mir zu. Das ist keine pädagogische Strategie – das ist echte Nähe durch Erfahrung.

Meine Rolle bei „Kurve kriegen“ als „Glaubhafter Botschafter“
Für „Kurve kriegen“ bin ich als externer Workshop-Leiter tätig. Ich arbeite im Gruppensetting mit Jugendlichen, die Teil des Programms sind. Mein Auftrag ist klar: Aufklärung durch radikale Ehrlichkeit. Echte, ungeschönte Geschichten zu den Themen Gewalt, Drogen, Kriminalität und Gefängnis, die die jugendlichen Zuhörer konfrontieren. Mit sich selbst, ihrem Lebensstil, und ihren Gangster-Fantasien. Es geht um verdrängte Emotionen, den fehlenden Glauben an sich selbst, und auch den Schaden, den man auf der schiefen Bahn anrichtet. Nicht nur bei den Opfern, sondern vor allem bei sich selbst und in der eigenen Familie. Ich spreche offen über meinen eigenen Weg, über Konsequenzen, über Möglichkeiten des Ausstiegs. Und manchmal lege ich auch gezielt meinen Finger in die Wunden der Zuhörer. Die Stärke solcher Formate liegt in der Gruppendynamik: Wenn einer anfängt sich zu öffnen, trauen sich oft auch andere. So beginnt der Austausch, in dem wirksame Impulse gesetzt werden können. Und so bekommen sie die Chance, sich in einem geschützten Rahmen auszudrücken.
Was Jugendliche im Grenzbereich wirklich brauchen – und was sie nicht mehr hören wollen
Die meisten dieser Jugendlichen tragen eine Menge mit sich herum – Frust, Wut, Enttäuschung, Ohnmacht. Manche haben früh gelernt, dass man sich besser nichts erhofft vom Leben, weil man dann nicht enttäuscht werden kann. Umso leichter fällt es ihnen dann, sich einem Lebensweg hinzugeben, von dem sie eigentlich wissen, dass er sie ins Verderben zieht. Wenn sie auf Angebote wie „Kurve kriegen“ treffen, sind sie oft erstmal abweisend. Nicht, weil sie keine Unterstützung brauchen, sondern weil sie sich schützen. Vor noch mehr Ablehnung, noch mehr aufwühlendem, noch mehr Kritik an ihnen. Sie sind laut und testen Grenzen. Sie maskieren sich mit pubertärem Imponier-Gehabe, mit demonstrierter Empathielosigkeit und Entschlossenheit. Und sie meinen vieles davon auch durchaus ernst. Es steckt jedoch noch so viel mehr in ihnen, wenn sie die Möglichkeit bekommen, wirklich vertrauen und sich einlassen zu können. Und dafür müssen wir vor allem eines: Sie aushalten! Sie nicht zu verurteilen und zu bewerten, sondern sie anzunehmen und sie mit all ihren Schwierigkeiten auszuhalten. Ohne sie in der ersten Krisensituation fallen zu lassen oder weiterzureichen. Konsequentes Dranbleiben ist der Schlüssel. Gerade dann, wenn es schwierig wird. Wenn sie merken, dass sie wirklich gesehen werden, wirklich gewollt sind, dann entsteht etwas. Dann ist Veränderung möglich.
Warum ich die Initiative unterstütze
Aus meiner Sicht wirkt „Kurve kriegen“, weil es früh ansetzt – nicht erst dann, wenn die Lage schon eskaliert ist. Viele Programme kommen zu spät oder sind zu weit weg vom echten Leben der Jugendlichen. „Kurve kriegen“ bringt verschiedene Fachrichtungen zusammen: Polizei, Jugendhilfe, Pädagogik, – und manchmal eben auch Menschen wie mich. Sogenannte Erfahrungsexperten. Ich erlebe in meinen Workshops, wie wichtig es ist, Jugendlichen aufrichtig zu begegnen. Ohne Druck, aber mit Klarheit. Ohne falsche Versprechen, aber mit echten Perspektiven. „Kurve kriegen“ schafft den Rahmen dafür – es geht nicht um schnelle Erfolge, sondern darum, dranzubleiben. Die Mitwirkenden der Initiative glauben wie ich an Veränderung, und akzeptieren die damit einhergehenden Rückschläge und Herausforderungen. Und sie nehmen Jugendliche ernst, selbst wenn sich diese schon selbst aufgegeben haben. Es wird mit ihnen geredet, nicht nur über sie. Genau deshalb bin ich gerne Teil davon. Ich sehe, dass es wirkt – nicht bei allen, aber oft genug, um weiterzumachen.