„Ich fahr mit meinem Kumpel – puuuhhh, wohin denn bloß?“ - „Nachts durch die Stadt … ey, was reimt sich denn auf Stadt???“ - „Was soll ich denn schreiben?“ - „Ich will die alle klatschen - hä?“ - „Schreib doch was aus deinem Leben?!“-

„Marcel, Hilfe, wie klingt das denn????“

So oder ganz ähnlich ging es vielen Teilnehmern dieses Projekts - und das nicht nur einmal.

Aber fangen wir vorne an:
Man kann ihn lieben oder hassen- den Rap - aber beschäftigt man sich wie wir mit Kindern und Jugendlichen, dann kommt man um ihn nicht herum.
Es ist nun einmal die Musik der allermeisten unserer Teilnehmer.

Warum sie also nicht in ihrer Lebenswelt abholen?

Nicht ganz unschuldig daran, dass wir den „Rap“ als Thema auf dem Schirm hatten, sind sicherlich die „Rapagogen“, denn die haben uns auf der letzten Klausurtagung der Initiative „Kurve kriegen“ mit Ihrer einzigartigen und grandiosen Performance nicht nur ordentlich eingeheizt sondern insbesondere mit ihren Schilderungen über die Arbeit mit den jungen Menschen total überzeugt.

Lange Rede, kurzer Sinn. Der Entschluss war gefasst, ein Rap-Projekt in den Herbstferien, gemeinsam mit den „Kurve kriegen“-Standorten Herford und Gütersloh sollte es werden - und wurde es.

Montags um 9 Uhr, Startschuss für alle Beteiligten. Zwölf junge Teilnehmer der Initiative aus den drei Standorten, ein wilder, bunt gemischter Haufen voller unterschiedlicher Charaktere, Vorstellungen, Erwartungen und Vorbehalte.

Ein kurzes „Shake hands“, eine Vorstellungsrunde, ein Frühstück zum Kennenlernen und schon ging es los - mit dem ersten Einigungsprozess.

Ein Beat musste her, denn ohne den kann man nun mal nicht texten. Natürlich lief das nicht ganz ohne Diskussionen ab, aber letztlich ging es bei dem Projekt ja auch genau darum. Eigene Interessen artikulieren, sie vertreten und gemeinsam Kompromisse finden. Und genauso lief es dann am Ende auch. Mit einem einvernehmlichen Ergebnis ging es weiter mit Schritt zwei. Dem Texten. Auweia. 

Für Jugendliche, die überwiegend weder gern sprechen, lesen oder schreiben, Gedanken in Worte fassen, auf dass es cool klingt und sich reimt … gar nicht so einfach.

Und dann war oftmals nicht nur Marcel von den Rapagogen gefragt, sondern genauso häufig auch seine gleichermaßen erfahren Rap-Kollegen, um die Teilnehmer zu unterstützen und dem Reim das Fürchten zu lehren.

Aber - das „Eis war gebrochen“; es entstand eine hochproduktive Phase des experimentellen Textens und Komponierens. Die Verbindung von Selbstwirksamkeit, Wertschätzung und Erfolg war für viele unserer Teilnehmer ein völlig neues Erlebnis. Der tolle Spirit, der hier zu Tage trat erfüllte alle Teilnehmer (und wohl auch die Pädagogen) zu Recht mit Stolz und sorgte für eine wunderbare Stimmung.

Beim gemeinsamen Mittagessen konnten sich dann alle Teilnehmer und PFK mit den Rapagogen austauschen…was haben wir schon, was muss noch gemacht werden, wie geht’s mit dem Song weiter. Struktur und Ordnung, ein Plan, gemeinsam erarbeitet.
 

Vier Jugendliche vor einem Laptop in einem Tonstudio

Und so vergingen auch der zweite und dritte Tag mit dem Einstudieren der Texte, der Zeit im Ton-Studio oder auch einem entspannenden Spielchen am Kickertisch oder der Tischtennisplatte wie im Flug.

Für ein buntes Treiben sorgten in diesen Tagen aber nicht nur die Teilnehmer des Projekts, sondern auch eine größere Anzahl von jugendlichen Besuchern aus der Nachbarschaft, die vorbeischauten und großes Interesse für unser Projekt zeigten.

Wertvolle Begegnungen und neue Bekanntschaften für eine Vielzahl der kriminalitätsgefährdeten Jugendlichen, denn oftmals sind sie einsam, kontaktscheu und sozial mehr isoliert als irgendwo eingebunden.

Ob beim gemeinsamen Kickern, Billiard spielen, Aktivitäten auf dem Außengelände oder Tischtennisspielen – die Kontakte und Aktivitäten waren von großer Lebendigkeit geprägt. Anfängliches jugendliches Macho-Gehabe, Skepsis gegenüber Fremden oder Ängste vor Neuem konnten schnell überwunden werden. Dann spielte es keine Rolle mehr, ob man „straight outta…. Steinhagen … Herford … Bielefeld… Gütersloh … ist“

Insgesamt ein wahnsinnig vielschichtiges Projekt mit unglaublich steilen Lernkurven in vielen Bereichen für alle Beteiligten. Getragen von den Rapagogen, die mit viel Herzblut, Empathie und Expertise das Ganze anleiten.

Fazit:  Unbedingt empfehlenswert.

Kostprobe gefällig?

„Yo ich komme aus ‘ner Ecke, wo die Sonne nicht scheint -
Träume sind groß, doch der Weg ist nicht weit,
jeden Tag ein Kampf, doch ich gebe nicht auf,
mit dem Beat in meinen Adern nehm‘ ich das Leben in Kauf,
Steinhagen im Blick, die Stadt die mich prägt,
Freunde um mich rum wir sind stark - unbesiegt.
Rhymes fließen wie Wasser und unendlich und klar.
Ich splitte die Wahrheit wie ein wahrer Star.

(REF.)
They discard you like you are some stray
Pay your bills! shut up! and obey! With power they have it the way
Last hour, no time to delay
Life is hard and people betray, we `re playing the part
Stay on guard don’t fade away
Listen to your heart ‚ cause this word‘s too grey

Wenn ich singe, dann ist alles in mir still.
Fand meine Erfüllung fand, was ich will.
Wenn ich singe, fühl ich mich unaufhaltsam.
Es ist meine Medizin mein Balsam.
Ich komm aus der Stadt, wo die Träume leben.
Mit jedem Split will ich alles geben.
Die Straßen sind hart, doch ich bleibe hier steh’n.
Mit jedem Schritt nach vorne lass ich die Zweifel vergehen.
Raus gehen, Faxen machen, andern in die Fratze klatschen.
Das ist voll mein Ding, mir egal wie‘s die andern machen.
Fliege weg lahluli in der Hand, vergesse keine Taten, doch hab Tatendrang.
Ich fahr mit meinem B’ra nachts durch die Stadt.
Er fragt mich die ganze Zeit, wie machen wir schnapp?
Wie enden wir glücklich und landen nicht im Knast?
Cousin mach dir keinen Kopf, denn wir haben’s schon geschafft.“ 

© IM NRW
 

"Life is hard!" anhören?
Dann einfach den Code mit dem Smartphone scannen und auf den Play-Button drücken.