Erfolgreiche Zusammenarbeit der Initiative „Kurve kriegen“ mit Rückenwind NRW e.V.

Ein junger Mensch macht Liegestützen

Marcel und Murat (Namen geändert) haben ihre Kraft und Energie noch vor einigen Wochen in Diebstähle und Straßenkämpfe gesteckt und sich damit nicht nur mit dem Gesetz Probleme eingehandelt. Ihre Familien, Schulen und wichtige Bezugspersonen waren enttäuscht und mit ihren Möglichkeiten, sie wieder auf einen legalen und positiven Weg zu bringen, am Ende. 

Durch ihre Straftaten sind die beiden ins Visier der polizeilichen Ansprechpartner der Initiative „Kurve kriegen“ in Neuss geraten.

Während die Schulen und Familien sich von Beginn weg dankbar für das Angebot der Teilnahme an der Initiative zeigten, waren die Marcel und Murat zunächst eher skeptisch und ablehnend. Zu groß die Verführung über weitere Straftaten Ansehen und Wertschätzung durch ihre Peergroup zu erhalten.

Mir gegenüber erwähnten sie beispielsweise: „Es gibt uns einfach einen Kick, den wir sonst nirgendwo erleben“. 

Auf der gemeinsamen Suche mit den Teilnehmern nach etwas, was ihnen möglicherweise einen ähnlichen „Kick“ geben könnte, wurde Sport schnell zum Thema. 

Die Palette an sportlichen Möglichkeiten im Rhein Kreis Neuss ist nahezu unbegrenzt. In weiteren Gesprächen mit den Teilnehmern wurde jedoch auch deutlich, dass für sie nicht nur die Art des Sportes, sondern die persönliche Ansprache und das Akzeptiertwerden mit all ihren Facetten wichtig ist. 

„Wir brauchen jemanden, der uns versteht. Der uns begeistern kann.“ Dieser Wunsch war für mich aufgrund meiner Erfahrungen plausibel und nachvollziehbar, aber die Frage nach der Umsetzbarkeit stellte sich mir.  Im Zuge der Vernetzung mit einer offenen Jugendeinrichtung in Kaarst wurden die pädagogischen Fachkräfte auf den Verein Rückenwind NRW e.V. aufmerksam. 

Dabei handelt es sich um einen Verein der straffällig gewordene Jugendliche durch Sport, Disziplin und Unterstützung bei der Ausbildungs- und Berufssuche eine handfeste Perspektive gibt. Der 1. Vorsitzende des Vereins, Gino Blanco, blickt auch selber auf einen nicht immer gerade verlaufenden Lebensweg zurück. Es gelang ihm unter anderem durch den Sport – Blanco ist Thai-Boxer – der Straße und einer sich anbahnenden kriminellen Karriere zu entfliehen. Seit Jahren steckt er sein Herzblut in den Verein und macht den Jugendlichen schon im Erstgespräch klar: „Keine Leistung ohne Gegenleistung. Ich erwarte vollen Einsatz von euch“ und „Ich werde euch bewusst an eure Grenzen bringen“. Konkret bedeutete das:

Murat und Marcel müssen verpflichtend, zuverlässig und pünktlich zu den Trainings freitagabends und sonntagmorgens erscheinen. 

Mit voller Absicht wählt der Verein Zeiten, zu welchen Jugendliche eigentlich andere Interessen haben. Da dies aus Erfahrung aber auch Zeiten sind, zu denen die Gefahr mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten sehr hoch ist, haben sich diese Trainingszeiten als sehr förderlich für eine positive Entwicklung der kriminalitätsgefährdeten Jugendlichen erwiesen.  Aus „Ich weiß nicht, ob ich freitags kann“ oder „Ich bin mir unsicher, ob ich sonntags so früh aus dem Bett komme“ ist mittlerweile ein „Können wir nicht noch öfters in der Woche trainieren“ geworden. 

In Gesprächen mit mir heißt es denn mittlerweile auch: „Nach dem Training bin ich richtig erschöpft und ausgepowert. Aber das ist ein gutes Gefühl. Gino holt alles aus uns raus und wen ich denke, eigentlich geht’s gar nichts mehr, gibt es noch eine Runde Liegestütze“. Da ist er wieder, dieser „Kick“, nur anders kanalisiert. 

Ein „Kick“, der den Jugendlichen nicht noch weitere Probleme einhandelt, sondern, im Gegenteil, den Weg in Richtung Schulabschluss, Ausbildungsplatz und einem straffreien Leben ebnen könnte.